B-Frohnau OdF

 

Berlin-Frohnau Gedenken an die Opfer des NS-Regimes

Gedenkstein vor der Kirche, Zeltinger Platz 18

Hierzu ein Bericht aus dem Sonderheft „JOHANNESKIRCHE“ vom November 2011

Gedenken und Erinnern
„Die Betrachtenden sollen sich zum Zwecke des Lesens vorbeugen müssen“, so wollte es Christel Burmeister-Gronau, als sie das Mahnmal für verfolgte Frohnauer Juden für den Frohnauer Kirchplatz gestaltete. Außerdem sollte es keine überstehenden Ecken und Kanten am Sockel haben, um nicht „Gefahrenpunkte für Kinder“ zu erzeugen. Aber so
rund und glatt, dass es nicht anecken würde, konnte das Mahnmal gar nicht sein!

Der durchaus kontroverse Ursprungsplan war, eine Gedenktafel auf der Zeltinger Brücke zu errichten; so hatte es die SPD 1998 im Reinickendorfer Kulturausschuss beantragt. Die CDU aber überstimmte den Antrag, denn es „könne die Bewohner des Ortsteils Frohnau in Verruf bringen, wenn man ohne historische Hintergründe in einem kleinen Ortsteil ein solches Mahnmal“ aufstelle. So sah es die Vorsitzende des Kulturausschusses.

Ein Jahr zuvor hatten Frohnauer Jusos mit einer Ausstellung im Gemeindesaal der Johanneskirche an die Schicksale von 20 verfolgten Frohnauer Juden erinnert, und sie hatten am 9. November 1997 einen Gedenk-Spaziergang zu verschiedenen Adressen initiiert, an denen als Juden verfolgte Frohnauer gewohnt hatten. Ein Flugblatt enthielt kurze biographische Angaben. Historische Hintergründe waren also vorhanden, und in Frohnau war man an dem Thema durchaus interessiert: Über 200 Personen haben an dem immerhin 3,5 km langen Marsch teilgenommen. Mit der offiziellen Absage des Bezirks wollte man es dann nicht bewenden lassen, und damit bekam die Initiative eine neue Zielrichtung. Die Kirchengemeinde Frohnau setzte eine Arbeitsgruppe ein, die ein Mahnmal planen sollte – für den Kirchplatz. Gemeinsam mit der Künstlerin Christel Burmeister-Gronau wurde der Entwurf entwickelt, wie wir ihn heute kennen. Er beruht auf verschiedenen Leitgedanken:
• Wegen der zentralen Rolle der Judenverfolgung innerhalb der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik des Dritten Reiches soll bewusst dieser Gruppe gedacht werden.
• Der Begriff „Jüdische Nachbarn“ betont das Herausreißen von Menschen aus dem engen Zusammenleben und soll den Blick auf das Wohngebiet richten. Dazu gehört auch das Motiv vom Frohnauer „Puzzle“ mit den fehlenden Stücken, ob mit oder ohne Namen.
• Verfolgt – vertrieben – ermordet benennt verschiedene Stadien und Dimensionen der vergangenen Verfolgung. Das Vergessen? fragt die Betrachter nach dem Heute und nach ihrer eigenen Einstellung. Die Platte wurde zuerst als Tonmodell gearbeitet, von dem dann nach

Ausstellung und Diskussion in der Gemeinde ein Bronzeguss angefertigt wurde. Für den Sockel standen Bronze, Granit oder grüner Serpentin zur Auswahl; Letzterer ist es schließlich geworden. Und – ein kleines Detail, aber es zeigt auch den kontroversen Rahmen dieses Gedenkens – es wurde eigens von der Künstlerin eine Anti-Graffiti-
Beschichtung aufgetragen. Am 8. November 2000 konnte das Mahnmal eingeweiht werden.In den zehn Jahren seit der Errichtung sind die schimmernde Platte und ihr unauffälliger Sockel fester Bestandteil des Kirchplatzes geworden. Daran knüpft nun auch eine Tradition an: Jedes Jahr am 9. November erinnert die Frohnauer Kirchengemeinde in einer Veranstaltung an den Pogrom von 1938 und die Judenverfolgung. Das Gedenken ruht somit auf zwei Säulen: das öffentlich zugängliche, zentrale und dabei stumme Mahnmal einerseits und die lebendige Erinnerung mit Musik, Texten und Gebeten andererseits. Es ist letztlich eine glückliche Entwicklung, dass es nicht zu einer „politischen“ Tafel auf der Brücke gekommen ist. Eine Gedenktafel als Instrument für politische Besserwisser, als moralischer Zeigefinger in Messing – so schlägt der Gedanke des Erinnerns sicher nicht Wurzeln. Konfrontation führt zu Ablehnung. Es geht nicht darum, anzuprangern und Schuldgefühle zu erzeugen, sondern es geht um eine leise Frage: Wie hättest du dich verhalten?